Mein therapeutischer Werdegang

Ich merkte bereits ab dem 15 Lebensjahr, dass irgendetwas in mir nicht stimmt. Aber ich konnte nicht recht greifen, was es war. Ich konnte auch noch lange nicht erkennen, dass es Zusammenhänge mit meinen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in meiner Kindheit gibt. Ich dachte, ich bin eine Loserin, weil ich nichts auf die Kette bekam. Ich konnte meine Reaktionen auf gewisse Situationen nicht einordnen. Nur, dass sich etwas nicht gut anfühlt konnte ich sagen. Rückwirkend erkenne ich, dass ich den starken Drang hatte, mich Personen sofort zu entziehen, die Ihre Autorität missbraucht haben und willkürlich Dinge entschieden haben. So verlor ich auch Jobs.

 

Ich wurde früh Mutter. 2 Monate vor meinem 18. Geburtstag das erste mal.

Der Aufgabe als Mutter, wie ich sie mir vorstellte, wurde ich auch nicht gerecht. Aus meiner Sicht versagte ich also auf ganzer Linie. Mit Anfang 20 versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Meine Absicht war es, nicht mehr zu leben. Als ich dann aber zu mir kam, war ich glücklich darüber, dass der Versuch fehlschlug (seitdem hatte ich auch nie wieder Suizidgedanken). Und ich wollte mir Hilfe suchen. Erst bekam ich über die Caritas den Hinweis des sozialpsychologischen Dienstes (SPZ). Da ging ich hin, allerdings wechselte innerhalb weniger Monate 2 mal mein Ansprechpartner. Ich war nicht dazu bereit, mich wieder jemandem von vorne zu öffnen. 

Ich suchte mir eine Therapeutin. Zu der Zeit wusste ich noch nichts über die unterschiedlichen Therapieformen. Ich landete also bei einer Gesprächstherapie. Als ich nach einigen Sitzungen merkte, dass mir das reine Darüberreden nichts bringt und ich auch dem Problem nicht auf den Grund kam, brach ich ab. Wieder ein Versagen in meinen Augen. Es dauerte nochmal 10 Jahre, bis ich es erneut versuchte. Immer mit dem Gefühl, dass da etwas in mir schlummert und ich eine tickende Zeitbombe bin.

 

Erneut landete ich in einer Gesprächsherapie, die mich nicht weiterbrachte. Immerhin erkannte ich zu dem Zeitpunkt schon gewisse Zusammenhänge. Nach dem ich diese Therapie ebenfalls abbrach, recherchierte ich im Internet und stieß aufgrund meiner Symptome auf die PTBS. Und ich sah und erkannte mich!

Ich fand eine Traumatherapeutin, mit der ich bis zum April dieses Jahres 5 Jahre Therapie verbrachte. Zwischendrin ging ich mal für 3 Monate in eine Traumaklinik. Diese beiden Entscheidungen waren mein Schlüssel. Und während ich das so niederschreibe, spüre ich die Beklemmung und Taubheit, die ich mit der Zeit "davor" verbinde und die Lebendigkeit, die ich wahrnehme, seitdem ich diese Therapie begann.
Natürlich war ich nicht ab dem ersten Tag geheilt, bin ich heute noch nicht. Nicht umsonst begleitete mich meine Therapeutin 5 Jahre. Aber es lösten sich mehr und mehr Knoten, ich verstand mein früheres Ich, begann mit innerer Kind-Arbeit, bekam Bezug zu mir und emotionalen Bezug zu dem was passiert ist. Lernte Strategien, mit Trigger umzugehen. Mich aus der Leere zu ziehen. Entwickelte ganz viel Selbstliebe, Selbstwert und Selbstfürsorge. Wurde weich, klar und bestimmt. Fing an, mich selbst zu reflektieren, kam an die Wut, lernte, für mich einzustehen und Grenzen zu ziehen. Und all das konnte ich auch an meine Kinder weitergeben.
Dass ich heute so ein wunderbares, tiefes, vertrauensvolles Verhältnis zu meinen (mittlerweile erwachsenen) Kindern habe, hängt sicher damit zusammen. Ich weiß mittlweile, ich hab vorher schon so vieles mehr richtig gemacht als meine Eltern, aber das hat uns nochmal viel enger miteinander verbunden.

Nun habe ich ja meine Traumatherapie im April "abgeschlossen". Bin aber noch nicht am Ende dieses Prozesses angekommen. Meine nächste Therapieform wird eine Sexualtherapie sein. Eine, die sich speziell auf traumatisierte Patienten ausrichtet. 

Und ich bin neugierig und gespannt, was noch kommt.


Vorschaubild von Tumisu auf Pixabay


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